Ein Blog zum Thema Malerei und meinen Motorradreisen.

(Meine Bilder findet Ihr am Ende der Seite)

Nordkap und Lofoten mit dem Motorrad 2018


Nun ist es also bald soweit. Ab Sonntag werde ich Euch hier live und in Farbe auf meine nächste kleine Abenteuerreise mitnehmen. Und endlich fühle ich mich auch tatsächlich bereit dazu. 
Das sah bis gestern noch ganz anders aus. Mein Gepäck liegt schon seit Monaten bereit, doch emotional fühlte ich mich alles andere als abfahrbereit. Ich war gestresst, hatte das Gefühl noch lange nicht alles erledigt oder besorgt zu haben (obwohl alles gemäß Plan lief) und sah mich insgesamt nicht gut gewappnet. Also schawenzelte ich immer wieder um mein Gepäck herum...kramte in der einen Tasche, änderte nochmal was in der Anderen, packte alles aus, beäugte es, um es dann erneut einzupacken. Aber nichts half. Wochenlang auf meinen Mann zu verzichten, mich jeder Herausforderung alleine gegenüber zu sehen, mit niemandem meine Freude über erlebte Dinge teilen zu können - alles schien mir zu viel. Ich haderte so sehr mit mir, daß mir bereits drei Leute meine Unsicherheit so arg ansahen, daß sie mir von der Tour abrieten. Doch mein Mantra lautet ja bekanntlich: Gehe niemals einen Schritt zurück, es sei denn Du willst Anlauf nehmen. Ich wollte planmäßig aufbrechen, ganz egal was meine Gefühlswirren sagten.
Doch gestern machte es auf einer Heimfahrt im Auto plötzlich *klick* und seitdem ist meine beängstigende Nervosität einer angenehm gespannten Vorfreude
gewichen. Ich glaube der Auslöser war ein Lied, das im Radio lief, als ich im Auto saß. Ich kann mich mit Musik sehr stark beeinflussen - zum Guten und zum Schlechten. Da ich dort oben niemanden habe, der mir den Tag versüßt, mich motiviert, zum Lachen bringt oder tröstet, muss ich das selber erledigen und mein Rettungsboot für alle diese Situationen ist Musik. Die richtige Musik. Ich habe in monatelanger Kleinarbeit mit viel Bedacht eine Playlist zusammengestellt, die mein Computer dann vor rund vier Wochen einfach verschluckt und fortan nicht mehr ausgespuckt hat. Gestern Mittag bin ich dann endlich mit der neuen Liste fertig geworden. Ich konnte mir dafür bei weitem nicht so viel Zeit lassen, wie beim ersten Mal, doch ich hoffe sie tut ihre Dienste. Und als ich dann im Auto zufällig eines der "Du-hast-gute-Laune!-Lieder" hörte, kam das langersehnte *klick*, was zu der gewünschten Gemütsverfassung führte. 
Ab Sonntag könnt Ihr rechts die Seite "Nordkap und Lofoten mit dem Motorrad 2018" aufrufen und mit mir reisen. Ich freue mich dort über Eure Kommentare. Zum Schluß noch ein kleiner Spoiler: Ich werde einen Teil des Trans Enduro Trail (TET) fahren, sofern dort nicht noch meterhoch Schnee liegt. Das sind Streckenabschnitte, die offroad gefahren werden, statt auf der langweiligen Strasse. Ihr könnt Euch die Routen ja mal auf der Homepage ansehen (https://www.transeurotrail.org/). Da ist wirklich cooles Zeug bei.

TAG 1 Müsste da nicht Musik sein…

Hatten wir das Thema nicht im letzten Post schon? Wenn ich ein Abenteuer begehe, muss das bitte ordentlich vertont sein! Ja gut, ich fahre eine Einzylindermaschine, also ist es automatisch gut vertont. Aber das meine ich nicht. Ich meine musikuntermalt, weil schon die ersten 100 Kilometer ein Fest sein sollten. Und bei den Festen, die ich feiere, wird für gewöhnlich getanzt. Wie viel mehr zum Auftakt meiner vielleicht letzten großen Tour, während derer auch noch perfektes Wetter geboten wurde? Doch es war mir nicht vergönnt.
Als ich heute morgen losfuhr, befürchtete ich schon, die Temperaturen falsch eingeschätzt zu haben. Nicht dass ich nicht seit Tagen immer wieder schaue, wie es heute werden sollte. Nein, es war vielmehr Trotz, denke ich im Nachhinein. 

Ich habe vor einigen Wochen, als der Sommer in Deutschland ausgebrochen war, meine Tüte mit den Dingen gefüllt, die ich am Abreisetag anziehen und ans Motorrad bringen wollte: Ladestecker (Nummer 87…gefühlt), Rückenprotektor, Sommerhandschuhe …und eben auch ein Top. Nachdem die Temperaturen dann so gesunken waren, hatte ich mich zusätzlich zu einem T-Shirt und einer dünnen Leggings durchgerungen, die fortan die Tüte füllten. Mitten im Sommer Fleecejacke, Thermofutter und ähnliches bereitzulegen, war mir einfach zuwider. Glücklicherweise habe ich gestern beim Beladen des Moppeds doch noch mal in meine Packrolle gegriffen, um ein langärmeliges Shirt in meinem Tankrucksack zu positionieren…nur für den Fall der Fälle. Letztlich war aber auch das alles viel zu kalt für die größte Frostbeule des Planeten. Ich habe noch bis in die Dusche der Fähre gefroren. Und das obwohl das Wetter wirklich wolkenlos war. Aber wenn es am Vortag 16 Grad sind kann man nicht erwarten, morgens um fünf Uhr sommerlich zu starten. Die richtige Kleidung für den Tag habe ich auch bei meinen letzten Touren äußerst selten getroffen… warum sollte es jetzt anders sein?
Viel ärgerlicher ist, wie meine technischen Geräte meinen Trotz scheinbar abkupfern. Ich habe mich bewusst entschieden, nicht viel Technik mitzunehmen. Ich hätte gerne unsere Kamera mit, um atemberaubende Fotos vom Nordkap und den Lofoten zu machen. Ich hätte gerne mein Netbook oder zumindest ein Tablet mitgenommen, um nicht alles auf dem kleinen Handy machen zu müssen. Ich hätte gerne einen MP3player, bei dem ich zappen kann, ohne das Motorrad anhalten und meine Handschuhe ausziehen zu müssen; oder ein Navi, welches mit Handschuhen bedient werden kann. Ich hätte gerne eine Actioncam dabei, um mich nicht hinterher wieder zu ärgern, etwas erlebt zu haben, was ich mir selbst ohne Videobeweis kaum glauben würde. Doch das alles ist schwer und muss geladen werden…und eine GoPro und ein Navigationssystem hätte ich mir ohnehin auch erstmal teuer kaufen müssen. Das wollte ich alles umgehen. Daher habe ich nun mein Handy für alle diese Erledigungen. Ich hatte vorher alle anfallenden Arbeiten vielfach durchgeführt, um sicher zu gehen, dass auf der Tour keine Probleme in einem der Bereiche auftreten würden. Deshalb nenne ich es Trotz, was mein Handy heute mit mir gemacht hat  - bösartiger, mutwilliger Trotz.
Ich saß auf dem laufenden Motorrad, konnte mich nur schmerzlich von dem wundervollsten aller Männer losreißen, aber fuhr doch endlich los. Das Navi hatte ich bereits vorher erfolgreich gestartet, die Musik passte nicht zufällig zum Moment und ich war durchströmt von Zuversicht. Als ich auf die Autobahn fuhr sah ich immer noch "KEIN GPS-SIGNAL" aufleuchten, doch man muss auch mal Geduld üben. Kurze Zeit später ging die Musik aus und ich hielt an, fand keinen Fehler, startete Player und Navi erneut - beides lief tadellos - erleichtert weiter also. Rund 40 Sekunden später  "KEIN GPS-SIGNAL"…egal, ich fahre auch ohne Navigation…um ehrlich zu sein häufig sogar viel entspannter. 30 Sekunden später blieb der Ton erneut weg. Angehalten, kein Fehler gefunden, beides neu gestartet - läuft super, auch wenn ich länger stehen bleibe, um zu schauen was da los ist - weiter geht's. Das hat sich noch ein paar Mal wiederholt, wobei ich immer wieder Kleinigkeiten an Hardware und Einstellungen änderte, die vielleicht das Problem hätten sein können …meine letzte Idee war das ganze Handy neu zu starten, doch auch das half nichts und ich wollte nicht noch mehr Zeit durch dieses Gehampel verlieren. Also schrieb ich Musik und kürzeste Route ab. Nach rund 400 Kilometern machte ich meinen zweiten Tankstopp und kam auf die Idee, dass die Vibrationen vielleicht nicht am Handy selbst was "verstellen" und die Musik dadurch aufhört, sondern möglicherweise nur am Klinkenstecker, der eventuell minimal anders gebaut ist. Daher wechselte ich auf das zweite Paar Kopfhörer - und siehe da: Probleme gelöst. Ja lustigerweise auch das mit der Navigation. Nein, das kann man technisch nicht erklären - ein weiteres Argument meiner Technik Trotz anzulasten. Zudem wollte mein Handy partout nicht laden. Ich hatte es heute morgen voll mitgenommen und wollte dem Akku zuliebe auch erst wieder laden, sobald es nötig ist. Doch als es soweit war, reichte es nur, um den Akkustand zu halten, obwohl ich irgendwann schweren Herzens die gerade gewonnene Musik und Navigation wieder ausmachte. Später auf der Fähre lag es zwei Stunden an der Steckdose und legte doch nur zwei Prozent Akkuladung zu, statt wie sonst in dieser Zeit nahezu voll zu werden. Mal sehen wie sich das auf der Tour so entwickelt.  

Ich nehme diesmal die Fähre von Kiel nach Oslo, um Zeit und Kraft zu sparen, statt bis nach Hirtshals hoch und dann drüben auch wieder mehr Kilometer machen zu müssen. Jetzt liege ich jedenfalls frisch geduscht auf dem Bett meiner mittschiffs gelegenen Kabine, habe schon gegessen, meine Kleidung gewaschen, in einem Motorradreisebuch gelesen und bin glücklich nicht seekrank zu sein. Zudem habe ich die Motorräder neben Meinem beäugt und bin froher Hoffnung, dass da unten kein Motorraddomino stattfinden wird. Ihr seht mich also zum Ende des ersten Tages sehr glücklich.




…Stunden später…


Also irgendwie ist hier die Heizung kaputt. Nach dem Duschen war mir kurz warm (Color Line hat tolle Nasszellen - heiß genug und ausreichend Druck). Aber danach ging es steil bergab. Ich war mal kurz auf dem Sonnendeck, um Fotos zu schießen




und bin dann direkt wieder zu meinem Buch unter die Decke gehuscht. Doch trotz mittlerweile zwei Decken und dem auf Anschlag stehenden Heizungsrädchen friere ich immer noch. Es lohnt sich aber auch nicht jemanden zu fragen, ob hier was defekt ist, da es in der Regel mein internes Thermostat ist, das ein, zwei Schräubchen locker hat. Andererseits bin ich emotional zutiefst durchwärmt, da ich soeben einen Liebesbrief von meinem Mann gefunden haben, den er irgendwie ins Gepäck geschmuggelt hat, ohne erwischt zu werden *seufz*schmacht*zwinker*.

TAG 2 Zwanzig Stunden Pause auf der Fähre 

Um drei Uhr wachte ich nach viel Rumgewälze endgültig auf, da mein Körper sich entschlossen hatte, das mit der Seekrankheit doch nochmal zu probieren…die Gelegenheit hat man ja nicht alle Tage. Es war zu früh, um ausgeschlafen zu sein und zu spät, um sich noch eine Tablette dagegen einzuwerfen, da ich dann bei Abfahrt vielleicht nicht fahrtauglich wäre. Ich war bisher nur ein einziges mal seekrank, wenn ich mich recht entsinne und weiß nicht mehr, wie ich auf das Gegenmittel reagiere. Ich hatte mein Handy an mehreren Ladevorrichtungen ausprobiert - Steckdose, Powerbank, Stecker eins und zwei, Kabel eins und zwei…der Ladevorgang schien zu einem Glücksspiel geworden zu sein. Manchmal ergaben in der gleichen Kombination 30 Minuten 16% mehr Akku und manchmal ergaben 6 Stunden 2% Ladung. Letzteres hatte ich gemerkt nachdem ich mein Telefon an die aktuell schnellste aller Varianten angeschlossen hatte, um bis zum Morgen ganz sicher einen vollen Akku in der Hand halten zu können. Doch um drei Uhr war er dann nahezu nicht weiter geladen. Sehr ärgerlich. Also nochmal umgeswitcht …nee lief auch nicht zügig. Nochmal eine andere Kombi und tadaa, nun ist der Akku wirklich voll...warum auch immer.
Noch ein Tipp falls Ihr demnächst eine Color Line Fähre nutzt: Sie haben Duschgel/Shampoo und Handtücher in den Kabinen. Ich habe es aufgrund meiner Vergesslichkeit alles mit hoch genommen. Außerdem rate ich viel zu trinken, da sich die Klimaanlage nicht abschalten lässt und ich nun einen dehydrierten Brummschädel habe.
In rund einer Stunde legen wir an und ich bin schon ganz gespannt was der Tag bringen wird.


…am Ende des Tages…

Ich bin schon das ein oder andere Mal gefragt worden, warum ich nicht einfach mit Schiff, Auto oder Flugzeug zum Nordkap reise - heute und in den nächsten drei Wochen zeigt sich wieder die Antwort. Mit all diesen Verkehrsmitteln kommt man am geografischen Ziel an, doch man erlebt den Weg dorthin nicht als Reise, wie ich mir das wünsche. Auf dem Motorrad rieche ich all die wechselnden Blumenfelder, jedes saftig grüne Wäldchen, hier und da frisch geschlagenes Holz am Straßenrand und nicht zuletzt rieche die anderen Biker. Ich fühle die Straße, ihre Bodenwellen und Beläge und wiege mich in jeder ihrer Kurven. Ich spüre knochennagende Kälte oder tröstliche Sonnenstrahlen, die mich umfangen. Ich erlebe wirklich eine Reise, sauge sie geradezu in mich auf. Das ist nicht nur eine zurückgelegte Strecke mit erfolgreicher Ankunft. Dieses intensive Erleben von äußeren Einflüssen und Vorkommnissen aller Art hat natürlich auch offensichtliche Nachteile. Doch wie sagt man so schön: Leben beginnt dort, wo Deine Komfortzone endet.

Ich mache das jetzt schon zum dritten Mal und es immer noch ein besonderes Privileg für mich. Ein zuverlässiges Motorrad zu haben, mit dem ich solch ein Unternehmen gut wagen kann; einen Mann zu haben, der mich so lange weg lässt und sich auch noch für mich freut; und all die anderen Dinge die in dieses Abenteuer mit hinein spielen. Ich fühle mich unfassbar reich und glücklich, das alles tun zu dürfen. Danke Michael!




Tag 3 Wer 'nen Bruder hat, braucht keine Feinde ;-)

Da mein Computer meine Playlist für diesen Trip gelöscht oder sehr gut versteckt hat, musste ich auf die Schnelle eine neue Liste herzaubern. Der Windows Media Player erstellt selbstständig eine vier-und-fünf-Sterne-Liste. Da dachte ich mir, das könne als Grundlage so falsch nicht sein. Auch wenn ich wußte, dass dort unter anderem von meinem Bruder bewertete Lieder drin sind, die ich häufig aber doch nicht immer sooo prickelnd finde. "Wie schlimm kann's schon werden?" dachte ich…zur Not halt auf der Tour bereinigen. Nur hatte ich die letzten zwei Tage keine Zeit mich da dran zu geben, weil ich ordentlich Kilometer gut machen wollte. Echt jetzt, Brüderchen! Psychedelisches Elektrogesumme und Soundtracks von Blockbustern, die zwar gute Streifen waren, aber echt jetzt ... minutenlanger Instrumentalhintergrund von Matrix und Konsorten? Meine Ohren haben den ganzen Helm vollgeblutet! Ich muss heute also definitiv an der Liste arbeiten.
Nachdem es gestern nicht nur recht kalt war (ich weiß meine Thermoregulation ist gaga - andere gehen bei 17 Grad ins Freibad), sondern auch so windig, daß ich das ein oder andere Mal unfreiwillig die Spur gewechselt habe, weil ich zu entspannt war, um zügig gegenzulenken, war es heute ein wenig angenehmer. Zum einen weil ich ja anders, als in der Nacht auf der Fähre mein Gepäck abgesattelt hatte und mir wärmere Sachen rausholen konnte. Zum anderen kam am Nachmittag auch endlich die Sonne zum Vorschein. Doch auch vorher war es ein schöner Tag. Selbst die Wolken schienen hier schöner und freundlicher zu sein. Sie bauten sich zu majestätischen Türmen auf, ohne Regen abwerfen zu wollen, sondern malten mir stattdessen auch noch elegante Schattenspiele auf die wogenden Felder und hügeligen Wiesen. Und so waren sie mir weder gestern noch heute wahre Feinde, obwohl sie mir so lange die Sonne stahlen. Morgen sieht es da wo ich bin und noch hin will ganz anders auch. Aber drei Tage regenfreie Tour ist ja ohnehin schon nicht sehr skandinavisch.
Und nun noch was zur schwedischen Mentalität: Alle sind sehr freundlich und aufgeschlossen. Dabei  strahlen sie gleichzeitig ein starkes aber unarrogantes Selbstbewusstsein aus. Heute habe ich das passende Produkt zu diesem Charakterpaket gefunden: Unicorn Balls. Ja, richtig verstanden - Einhornhoden. Das wird auf dem Bild dieser Süßigkeit sehr deutlich dargestellt, falls noch Uneinigkeit bei dem Namen besteht. Wisst Ihr wie bei uns die Einhörner aussehen? Meist sind sie ein wenig pummelig bis fett. Weil sie jene, die an perfekte, liebevolle Wunderwesen glauben mögen, sagen wollen, dass Perfektion nicht an die Konfektionsgröße gebunden ist. Schaut Euch hingehen mal dieses Einhorn an…das genaue Gegenteil …sehr lustig…welcher Werbetyp ist wohl auf sowas gekommen? (Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Fotos über das Smartphone hier geladen bekomme…wenn Ihr keine Unicorn Balls seht, schaut später noch mal rein, sobald ich wieder daheim bin, dann werde ich hier noch viele Fotos nachliefern.)

Wunderliche Süßigkeit




Diese Nacht durfte ich quasi Wange an Wange mit meinem Ross schlafen - sicher ist sicher :-p





Tag 4 Man muss auch mal Glück haben

Hatte ich heute. Oder besser gesagt bis jetzt schon durchweg. Es ist der vierte Tag und ich habe erst extrem wenig Regen abbekommen. Für heute war tatsächlich ordentlich Wasser angesagt, stattdessen gab es nicht mal furchteinflößende Wolken…der ganze Himmel war nur voller Schleierwolken und zum späten Mittag hin überwog das Blau des Himmels endgültig. Obwohl ich Offroadpassagen erst für später in Form von einem TETstück (Trans Enduro Trail) geplant hatte, ging es heute schon los. Wenn die Schweden Straßenbau tätigen, hat man nämlich kilometerweise RCL als Fahrbahnoberfläche…also Splitt-Stein-Kies-Gemisch und dazu Lehmstaub
oder Matsch, je nach Witterung. Ich habe uns zwei auf rund 25 Kilometern heute mal so richtig eingesaut. Danach bin ich auf der Suche nach einem abgelegenen Waldstück zum Zelten in einige dürftige Trampelpfade gefahren, musste mich aber immer wieder zurückkämpfen, weil nicht das Richtige dabei war…also heute Offroad mit und ohne Naturbeteiligung. Letztlich habe ich doch noch was Schönes gefunden.
Ich habe heute früher Schluss gemacht, weil der Tag ereignisreich und der Tacho voll genug waren. Ich habe nun in vier Tagen weit über 2000 Kilometer geschafft. Den Polarkreis hatte ich bereits heute Mittag in der Tasche. Und das war nicht die einzige "Grenze", die ich heute hinter mir gelassen habe. Ihr wißt doch es gibt die Baumgrenze, die Schneefallgrenze…ich habe in den letzten Touren auch immer zwei weitere bemerkt: Die Rentiergrenze. Bist Du darüber erstmal hinaus, siehst Du täglich viele von den überaus drolligen Tierchen. Circa 300 Kilometer weiter gen Norden kommt die Schlaglochgrenze. Bist darüber einmal hinaus, kann Dich eine Unachtsamkeit weghauen. Die Schlaglöcher sind mit einem Mal so groß, daß man nicht unbedingt heil auf der anderen Seite ankommt. Ich habe schon eines gesehen, da hätte ein Autoreifen reingepasst… sowohl in der Breite als auch in der Höhe. Und ein Finne hat mir dazu mal erklärt, daß sie früher tatsächlich schon ab und an mal alte Reifen reingelegt haben, um weniger Volumen verfüllen zu müssen. Ab jetzt also beide Hände am Lenker, um den springenden Rentieren und den gut getarnten Löchern verlässlich ausweichen zu können. Und auch um meinen Rücken mehr zu stützen…heute waren viele, viele Kilometer Straße waschbrettartig verformt und da machen meine Bandscheibenmaleste jetzt Party.



In Deutschland kommt mir Fast Food fast nie unter, aber hier oben auf Reisen genieße ich den Schund total.

Mitternachtssonne bei Gällivare


TAG 5 Achtung: Jetzt wird's intim!

Also erst mal das Thema Mitternachtssonne. Ich weiß nicht warum ich davon so fasziniert bin. Ob die Sonne mittags oder nachts scheint, sollte ja eigentlich gleich sein. Ist es aber nicht. Normalerweise gehe ich früh schlafen, um einigermaßen Kraft tanken zu können. Aber wenn ich dann doch mal bis spät fahre, könnte ich ein Foto nach dem anderen von ihr schießen. Sie geht einfach nicht unter. Und ich finde es ist immer alles in ein ganz spezielles Licht gehüllt. Einfach toll!
Start war heute um 7:30 im schwedischen Gällivare. Ich hatte gedacht, wenn ich gebührend Abstand zur finnischen Grenze halte, werde ich nicht wieder von Mücken aufgefressen. Doch falsch gedacht. Ich hatte ein perfektes Plätzchen an einem Fluss gefunden, da ich dachte Mücken sind vor allem ein Problem stehender Gewässer. Doch so schnell konnte ich gar nicht aus den Klamotten ins Wasser springen, mich waschen und wieder mit Antibrumm forte einschmieren, wie die Biester zuschlagen. Und das größte Problem sind die Toilettengänge hier im Busch. Wenn ich blank ziehe, wedel ich schon die ganze Zeit beim Puschern mit den Händen an Hintern und Oberschenkeln vorbei, damit sich keines von den Biestern setzt (ich weiß, das ist jetzt gewiss ein tolles Comicbild in Euren Köpfen). Aber dann brauch ich eine Hand für's Klopapier. Mit der Hand kann ich dann kurz nicht wedeln und zack, stechen die Viecher. Und dann hab ich beim Hochziehen der Hose auch noch scheinbar eine lebendig in meiner Leggings begraben…die hat sich natürlich erst noch mega an ein und derselben Stelle ausgelassen. Ich kann also nur empfehlen die Klohäuschen zu nutzen, solange sie noch da sind. Weiter im Norden sind sie nicht mehr so üblich…und wenn Ihr dann dort im Unterholz steht und gestochen werdet, weil Ihr nicht wie ich peinlich mit Euren Händen wedeln wolltet, wird Euch das Lachen vergehen :-p
Obwohl für heute auf der gesamten Strecke 100% Regen angesagt war, hatte ich nur eine Stunde nasse Fahrt. Der Rest war zwar unheilsschwanger bewölkt, aber eben trocken. So durchquerte ich Finnland und kam schon um 12.30 in Kautokeino in Norwegen an. Ein paar Kilometer weiter wollte ich in den Offroadteil vom Trans-Enduro-Trail einsteigen. Allerdings war geplant, dass ich das morgen mache, da ich blutige Anfängerin in puncto Endurofahren bin und mir ausgeruht den ganzen Tag Zeit lassen wollte. Doch um 13.00 Feierabend machen und den Rest des tollen Tages vergeuden?! Nee. Also Motto raus:

Dream.
Dare.
Live it.
Ok, es ist vielleicht etwas großspurig den Leitspruch der diesjährigen Rallye Dakar rauszuhauen, nur weil ich einmal einen Endurotrail fahre, aber für mich ist es eben ein Abenteuer. Also habe ich mir eine herrlich fettige Ostepolse (mit Käse gefüllte Wurst im Speckmantel) mit Brötchen in der Tanke gegönnt und bin dann fröhlich in den Matsch gestartet.
Und ja, ich bereue sehr keine Actioncam auf dem Helm gehabt zu haben oder jemanden hinter mir mit Kamera. Die Pfützen waren teilweise so hoch wie der kleine Flusslauf, den ich durchqueren musste. Das Wasser ist viele Male bis
weit über Schulterhöhe geschossen. Da wäre ein Video schon cool gewesen. Und auch bei den herausfordernden Passagen hätte ich mich gefreut mir später ansehen zu können, ob es so abgefahren aussah, wie es sich anfühlte. Es war ohnehin schon alles matschig, weil es hier halt regelmäßig regnet. Doch als bereits nach einer halben Stunde der lang vorhergesagte Regen einsetzte, wurde das eine einzige Schlitterpartie. Die Steine sind alle eh schon glatt, weil rundgewetzt und nun kam auch noch der Regen-Lehm-Schlamm dazu. Aber ich habe mich dank des Endurotrainings vor einigen Wochen gut geschlagen. Mir ist die Maschine nicht einmal abgesoffen, umgefallen oder Schlimmeres. Ich habe zwar Fotos (werden im Anschluss der Tour nachgereicht) gemacht, doch das ging naturgemäß nur an den Stellen, die nicht so schwierig waren. Bei den spannenden Abschnitten, wollte ich es natürlich nicht versauen, indem ich anhalte, um ein Foto zu schießen. Ihr seht - ohne Actioncam lässt sich hier kaum echte Action vermitteln. Fahrt selber hin und macht vorher beim Stefan in Bilstain ein Endurotraing (https://www.stefans-endurotraining.de/) Es lohnt sich! Das Einsteigertraining ist gerade so herausfordernd, daß man noch gut mitkommt, aber auch seine Schwachstellen herausfindet. Der Trail hier oben war schwieriger als die Passagen beim Training. Ich denke ich hätte alt ausgesehen, wenn ich beim Training nicht mit solch ungewohnten Gegebenheiten konfrontiert worden wäre.
Jetzt liege ich in meinem eigenen beheizten Zimmer, in einem richtigen Bettchen, habe heiß geduscht und meine Wäsche hängt im eigens dafür zuständigen Trocknungsschrank. Meine Ohren klingeln und blubbern im Einzylindertakt, weil die Maschine in den unteren Gängen doch recht prägnant scheppert und meine Füße sowie Beine krampfen durchweg, obwohl ich mir schon drei mal Magnesium eingeworfen habe…
doch es ist mir einfach egal, weil alles andere so spitze gelaufen ist. 










Mir graut es allerdings vor morgen. Ich habe ein paar Sachen ausgepackt, weil auch im Gepäck das ein oder andere nass geworden ist. Nun steht das ganze Zimmer voller Pröllen. Ich weiß gar nicht wie in aller Welt das alles auf mein Mopped passen soll. Und meine Taschen sind gerade noch nicht mal ganz leergeräumt. Jetzt erst noch mal die Mitternachtssonne bestaunen und dann in dieses wohlig, weiche Bettchen sinken.

Die Unterkunft bekommt von mir fünf extra funkelnde Sterne. Das Zimmer ist geräumig und sauber, inklusive frisch bezogener Betten und Handtüchern. Die Bäder sind so wie der Rest sauber und modernisiert. Auf dem Flur stehen zwei Trocknungsschränke für Klamotten, die wirklich schnell und zuverlässig arbeiten. Und als i-Tüpfelchen, das vermutlich jedem nach einem harten Tag total unwichtig aber doch angenehm ist: Es ist alles sehr bezaubernd mit typisch norwegischem Charme eingerichtet und man kann sich nebenan im Café auch von innen aufwärmen. Die Unterkunft nennt sich Fjellstue, bietet Hütten oder eben einige dieser Zimmer an, die sich zwei Bäder teilen und befindet sich an der 93 rund 50 Kilometer vor Alta. Es ist genau auf dem Stück der 93, die man fahren muss, um von einem Offroadteil des TET in den nächsten zu gelangen. Es eignet sich hervorragend, um es als Zwischenstation zu nutzen. 
Fjellstue 50 Kilometer südlich von Alta auf der 93

Die beste Unterkunft der gesamten Reise


Lederhandschuhe sind immer aber vor allem bei Regen eine schlechte Enduroausrüstung

Wie kann das alles auf ein Motorrad passen?!

Mitternachtssonne

Noch mehr Mitternachtssonne



TAG 6 Dunkle Erinnerungen

Gerne würde ich noch eine Nacht hier bleiben, um mich auszuruhen und die perfekte Unterkunft zu genießen. Aber die Wettervorhersage der nächsten Tage für das Nordkap sagt, dass wenn überhaupt mal mit Regenfrei zu rechnen ist, dann heute. Und auch heute soll es dicht bewölkt sein, sodass ich vermutlich wieder keine schönen Fotos abbekomme. Wir werden sehen. Ich nehme mir jedenfalls dort wieder eine Hütte…ich habe seit dieser Nacht den flotten Willi und bin froh, wenn ich erneut ein Bett und ein Badezimmer zur Verfügung habe. Meine Mückenstiche sind übrigens durch das ganze Gescheuere der vibrationsstarken BMW so groß wie Heiermänner geworden, nur dicker.
Diese Unterkunft hier ist wirklich wunderbar und günstig (450 NOK für mich alleine).
Um 9.00 starte ich Stunden später als sonst, da ich weiß, ich habe heute ein verbindliches Endziel, das weniger Zeit braucht, als die 8-9 Stunden, die ich in den letzten Tagen immer gefahren bin. Da erneut den ganzen Tag Regen angesagt ist, entschließe ich mich, mich dick anzuziehen, da meine Erfahrungen aus 2012 auf diesem Teilstück der Route übel sind. Noch verdränge ich die Details aber erfolgreich und freue mich heute ein weiteres Ziel meiner Tour zu erreichen. Nachdem das ganze Gepöngel endlich wieder auf meinem Lasttier verstaut ist, gehe ich anschließend in mein Zimmer, um nochmal alles zu checken und mir die Schuhe anzuziehen…und *squatsch*…neiiiiin! Ich habe vergessen die Schuhe zu trocknen! Ich habe gestern bis in die Nacht alle meine Kleidung gewaschen und nacheinander getrocknet und ausgerechnet die Schuhe vergessen in den Trocknungsschrank zu stellen. Ich bin so doof! Mir graut es davor mit nassen Füßen die fünf Stunden da hoch zu fahren, aber da machste nix. Und schon bald merke ich: Nasa Technologie bedeutet auch wirklich Nasa Technologie (ich glaube die Schuhe heißen Salomon CW Tundra). Meine Füße sind zwar nass, aber trotzdem relativ gut gedämmt und frösteln so trotz Sturm und Fahrtwind erst zum Ende hin, nach der Parade der kalten Tunnel. Aber was wäre Norwegen ohne seine kilometerlangen, dunklen, nassen, eisigen Tunnel, gell.
Als ich aus Alta rausfahre fällt es mir wieder ein: Eine Hochebene. Du wirst gleich über eine lange, kalte, stürmische Hochebene fahren. Zuerst sind da jedoch die Plätze, für die sich all die Mühe lohnt - Kurven über Kurven, durch Schluchten und Täler hindurch, mit Wasserfällen und beeindruckenden Flussläufen, die alles um sie herum gemeinsam mit dem Wind erschaffen haben. Und als ich auf dem Hochplateau ankomme und mit den Augen in die Ferne schweife, überkommt mich erneut große Dankbarkeit. Denn jetzt sind die Erinnerungen wieder deutlich, als sei es gestern gewesen. Düstere Erinnerungen.
Ich war damals glaube ich im finnischen Enontekiö gestartet, hatte mich bei üblem Wetter bis Alta durchgekämpft und dann gedacht: "Es sind nur noch 300 Kilometer, das schaffst Du schnell, dafür gibst Du jetzt nicht auf." Doch ich war mit Magen-Darm-Infekt und sehr wenig Schlaf bis hier gekommen und nun schon völlig fertig und entkräftet. Der Sturm mit seinem Starkregen ging so heftig auf mich nieder, dass ich in Kurven teilweise zur falschen Seite umlegen musste, um nicht aus der Spur gedrängt zu werden. Zudem hatte ich fast das doppelte an Gepäck zu heute mit und fuhr auf einer Sitzbank, die mich bei jeder Bodenwelle mit den Beckenknochen bis zur Sitzschale durchknallen ließ. Zum Ende hin musste ich mich alle zwei Minuten erneut intern überreden nicht aufzugeben. Letztlich habe ich an dem Tag glaube ich 12 Stunden Fahrtzeit unter widrigsten Bedingungen erbracht …nur um dann am Kap im Dunst anzukommen. Man konnte kaum etwas sehen… es war eine Schande.
Doch heute war alles anders. Es war zwar kalt und stürmisch, doch nichts vom angesagten Regen, sondern klare Sicht. Ich hatte eine weitaus komfortablere BMW unterm Hintern und sie schien sich ohne mein Dazutun harmonisch in den Kurven zu wiegen, sodass ich mich völlig auf die atemberaubende Aussicht konzentrieren konnte. Und mal ehrlich: Norwegen ist das Meisterstück der Schöpfung. So rau und gleichzeitig betörend sanft - egal wohin man blickt. So war heute alles besser - besseres Wetter, bessere Maschine, bessere Sabine. Nordkaptour 2.0 sozusagen.
Nun sitze ich seit Mittag am Nordkap, habe lange auf's Meer geschaut, seine beruhigende Weite geschätzt, bin durch den Souvenirshop gegangen, habe am Nordkap gekocht und gegessen (kann auch nicht jeder von sich behaupten) und schreibe diesen Bericht, um die zehn Stunden bis zur Mitternachtssonne rum zu bekommen, die ich an diesem besonderen Ort fotografieren möchte.
Den ganzen Tag gehe ich schon mit einem Gedanken schwanger. Ich würde gerne den gleichen Weg zurückfahren - schnell und kurz. Ich wäre zum Ende der Woche wieder daheim. Ich vermisse Michael wirklich sehr und mag auch nicht mehr alleine reisen. Doch mit den Lofoten und all den anderen Juwelen an der Westküste ist es mir vor vier Jahren ähnlich ergangen, wie mit diesem wunderschönen Plätzchen hier - es lag damals alles unter einem dichten Schleier. Die atemberaubende Schönheit Westnorwegens ist mir zu großen Teilen verborgen geblieben und ich bin dieses Jahr erneut aufgebrochen, um endlich zu sehen, wozu ich in den zwei vorherigen Touren losgezogen war. Zudem befürchte ich es nie wieder bis hier hoch zu schaffen, da meine Gesundheit zu rapide abnimmt, als daß ich ernsthaft noch weitere Ausflüge dieser Art planen könnte. Ich rief Michael an und unterbreitete meine Zweifel und Überlegungen und er sagte das einzig Richtige - weil er weiß, wie sehr ich das ursprünglich wollte und natürlich weil gerade Fußballweltmeisterschaft ist und es ihm gut in den Kram passt, daß ich möglichst lang weg bin.
Daher rief ich mir einen Spruch in den Sinn, den ein Teilnehmer der Rallye Dakar auf den Bordcomputer seines Motorrads geklebt hatte: You didn't come this far, to only come this far. Nun werde ich morgen mit einer 90-Liter-Packrolle voll Heimweh Richtung Westen aufbrechen und freue mich zumindest über meine taktisch gut geplante Route. 2014 habe ich mit der Westküstenroute angefangen. Da sie aber langsamer und beschwerlicher zu fahren ist, unter anderem da man immer wieder auf eine kleine Fähre warten muss, war ich lange zum oberen Totpunkt unterwegs. Hat man dann aber einen schlechten Tag (oder mehrere hintereinander), muss man sich jeden Morgen erneut schwer motivieren, noch weiter von zu Hause weg zu fahren. Diesmal habe ich somit einen großen psychlogischen Vorteil. Egal wie fertig ich bin - ich fahre automatisch jeden Tag in die Richtung, in die mich Herz und Knochen ziehen - heimwärts.









Mitternachtssonne ab Nordkap - kalenderfotowürdig


Midnattsoll Camping Skarsvag

Midnattsoll Camping Skarsvag


TAG 7 Gebrochener Stolz

Jetzt wäre der richtige Moment für: "Herzlichen Glückwunsch! Sie haben sich heute echt wacker geschlagen - hier ist ihre Insel."
Gestartet war ich bei sonnigen 16 Grad von einer Hütte zehn Kilometer vom Nordkap entfernt. 2012 war ich ebenfalls hier im Midnattsol Camping in Skarsvag abgestiegen. Und auch wenn es nicht sehr hübsch oder komfortabel ist, ist es mir doch immer angenehm, zu wissen was auf mich zu kommt. Da ich erst nachts bei der Hütte aufschlagen wollte, um das Nordkap in das Licht der Mitternachtssonne getränkt erleben zu können, wollte ich keine Experimente und eine lange Suche nach Unterkünften wagen. Bei diesem Platz wusste ich, man kann auch sehr spät anreisen, man zahlt 600 NOK für eine kleine Hütte mit zwei Betten und Kochplatte und es gibt zwei Sanitärhäuschen. Letztlich bekam ich eine Viererhütte, da die Kleinen alle schon von anderen Bikern belegt waren, die früher als ich angekommen waren. Der reguläre Preis liegt bei 620 NOK, doch man ließ sie mir freundlicherweise für 600 NOK.
Als ich morgens aufbrach lachte mir die Sonne und ich war fest entschlossen den ganzen Tag zurückzulachen, auch wenn ich wusste, wie schlecht das Wetter auf dem Weg zu den Lofoten werden sollte. Nach einer Stunde wechselte der klare Himmel zu finsteren Regenwolken, die mich ausdauernd beregnen wollten, immer tiefer sanken und mich schließlich verschlangen. Fortan fuhr ich also mit gerade so viel Sicht, dass ich noch zügig fahren konnte, doch nichts mehr von der Landschaft erkennbar war. An einer Stelle hoben sich die Wolken etwas und es reichte für ein schönes Foto. Gegen Mittag dachte ich kurz darüber nach Feierabend zu machen, doch ich war schon jetzt so durchgefroren und durchnässt, dass ich mir auf jeden Fall eine Hütte nehmen wollte. Daher dachte ich mir, wenn schon Geld für ein Bett und warme Dusche ausgeben, dann wenigstens an einem arbeitsreichen Tag. So war mein Ziel 600 Kilometer zu schaffen und zumindest bis 17.00 Uhr zu fahren. Nachdem ich gestern ganz ohne Musik fahren musste, war ich heute so glücklich wieder ein geladenes Handy nutzen zu können, dass ich nach dem erreichten Ziel überlegte nochmal eine Stunde dran zu hängen. Alle paar Kilometer gab es eine reiche Auswahl an Hütten, Hotelzimmern und Campingplätzen - etwas passendes zu finden schien also einfach zu werden. Noch in Skibotn um fünf vor sechs dachte ich: "Das ist die letzte Möglichkeit, die du ausschlägst. Ab 18.00 Uhr hast Du es geschafft und dann nimmst Du gleich die erste Hütte, die du siehst." Und so kam es wie es kommen musste. Ab diesem Dörfchen kam nichts mehr, was ein Bett und eine Dusche bot. Zu diesem Zeitpunkt bereute ich sehr den ganzen Tag keine Pause gemacht, sondern immer nur schnellstmöglich getankt zu haben. Ich fuhr insgesamt sechs mal einem Schild für Hütten nach, wurde jedoch jedes mal enttäuscht. Ich konnte es kaum glauben, da die Schilder für gewöhnlich zuverlässig waren (außer auf den Lofoten!). An manchen Tagen ist man ja dümmer als an anderen Tagen. Also suchte ich jeweils den Anbieter und wenn ich ihn nicht fand, ging ich in eine Tankstelle oder ähnliches, um mich zu erkundigen. Sechs mal von der eigentlichen Route runterfahren, irgendwo rumirren, dann anhalten, mich teils aus den Klamotten pellen, um jemanden zu fragen, dann enttäuscht wieder mühselig verpacken. Die letzten dreieinhalb Stunden waren pure Zeitverschwendung. Besonders wenn man bedenkt, daß ich kurz nach halb sieben ein Hotelzimmer ausgeschlagen hatte, weil es mir mit 130 € zu teuer war und ich noch hoch motiviert war, mir nicht die Laune von sowas verderben zu lassen und ich letztlich nach 12,5 Stunden und 695 Kilometern Fahrt eine Hütte für 134 € genommen habe. Mit dem Hotel wäre ich besser dran gewesen. Ich musste ein Haus für 10 Personen nehmen, da nichts anderes mehr frei war. Es hatte nur eine winzige Elektroheizung für alle Räume zusammen, die aber nicht wie sonst üblich schon vorgeheizt hatte. (Diese Ferienörtlichkeit heißt Malselvfossen… falls Ihr sie meiden wollt ;-).)Es war also recht kalt, obwohl ich so sehr nach Wärme hungerte. Da ich dringend sehr viel Zeug trocknen wollte, stellte ich sie auf 30 Grad, doch in dieser Stellung lief sie nicht. 23 Grad war das Maximum. Und auch das nur zeitweise, da bis zum nächsten Morgen immer wieder der Strom im gesamten Haus ausfiel. Desweiteren war die ganze Bude ziemlich abgewrackt, aber einigermaßen sauber. Ich glaube der Preis hat es mir einfach total versaut. Zudem erzählte ein anderer Biker mir am nächsten Morgen, die kleinen Hütten lägen bei 700 NOK und eine sei auch noch frei. Haben die mich übers Ohr gehauen, um mehr Geld zu machen? Nein, bestimmt ist da etwas defekt und sie kann nicht vermietet werden.
Zurück zum Tag. Ich muss sagen die Norweger haben aufgerüstet: Viele Straßen sind frisch asphaltiert und viele Tunnel haben nun Beleuchtung. Es war wirklich schön zu fahren - den Regen und die Kälte konnte ich ignorieren, auch wenn mein schmerzgeplagter Rücken durch die Witterung nicht gerade geschmeidiger wurde. Es war übrigens der erste Tag, an dem ich meine selbstgefertigten Lenkerstulpen aus Neopren auf die Probe stellte. Sie halten den Wind gut ab und haben mir gestern denke ich den Hintern gerettet, sonst hätte ich nicht so lange durchgehalten. Meine Handschuhe sind schon alt, sind sehr schnell mit geschätzt 300 Millilitern Regenwasser gefüllt und dann gemäß Thermodynamik wirklich kalt bei acht Grad und Fahrtwind. Sie waren nicht sooo billig und doch auch im Neuzustand nicht viel besser. Aus diesem Grund habe ich mich dagegen entschieden nochmal Geld auszugeben, um am Ende doch wieder enttäuscht zu werden. Stattdessen habe ich darauf gesetzt, daß die Stulpen meine Hände trocken und somit auch etwas wärmer halten. Ich denke das war eine gute Entscheidung, auch wenn es sich sehr unangenehm fährt und mega behämmert aussieht. 

Womit wir bei einem weiteren Hilfsmittel sind, dessen Gebrauch ich gestehen muss: Ich fahre jetzt mit Gagriffhilfe. Ich nenne es für gewöhnlich Renterhilfe. Es ist eine Vorrichtung, die quasi einen manuellen Tempomaten darstellt. Statt mit der Hand den Gasgriff zu umgreifen und daran zu drehen, drückt man diesen nachträglich angebrachten Hebel einfach locker mit der Hand runter ohne die Finger dabei wirklich anspannen zu müssen. Drei Sachen gehen beim Motorradfahren eigentlich gar nicht: Griffheizung, Sitzheizung und eben diese Rentnerhilfe. Das ist alles was für Männer in den Mittfünzigern, dachte ich. Aber nachdem mein Daumen gegen eine Tischkreissäge verloren hat und ich auch in den anderen Gelenken chronische Schmerzen habe, habe ich darüber nachdenken müssen, meine Einstellung zu ändern. Das ist nun meine erste Tour mit Rentnerhilfe und mein Stolz ist gebrochen. In den Lenkerstulpen kann man diesen Hebel nicht so gut nutzen, wodurch ich gestern und heute meist auf herkömmliche Weise Gas geben musste. Und nun weiß ich: Ohne die Renterhilfe hätte ich die Tour nicht oder nur sehr schwer überstehen können, weil die lädierte Hand dann deutlich mehr leisten muss. Aber eine Heizung, egal für welches Körperteil, kommt mir nicht an Bord!


Bis Alta noch strahlend blauer Himmel


Danach zog es sich schnell zu




TAG 8 Fehleinschätzung Vesteralen

Heute stand nur eine sehr kurze Route an, da ich ein verbindliches  Ziel hatte: Andenes. Ich fuhr die größtenteils rumpelige Straße auf der Insel Senja entlang, bis ich an Ihrer nordwestlichen Spitze in Gryllefjord ankam. Mal abgesehen davon, dass der Asphalt sehr verkratert ist, ist die Landschaft auch nicht weltbewegend. Allerdings ist mein Urteilsvermögen da auch wieder begrenzt, weil der Nebel und Regen nur Sicht auf die direkt neben der Straße liegenden Grünstreifen zuließ. Die Fähre braucht eine Stunde und vierzig Minuten und kostet 284 NOK. Nun bin ich in Bleik, dem nächsten Ort an der Küste der Vesteralen Richtung Westen. Ich bin aus zweierlei Gründen hier: Ein Österreicher erzählte mir am Nordkap, die Vesteralen seien noch bezaubernder, als die Lofoten und zum anderen ist es der einzige Ort auf der Welt, wo man ohne Saisonbegrenzung auf Walsafari gehen kann. Der Golfstrom und die in ungewöhnlicher Küstennähe liegenden Untiefen sind ganzjährig ideal für alle möglichen Arten von Walen. Je nach Anbieter kostet es 1100 bis 1200 NOK und enthält dann noch eine Museumstour von zwei Stunden oder eben nur die Bootsfahrt auf's offene Meer, die 2-3 Stunden dauert. Im Sommer sollte man reservieren, um einen Platz sicher zu haben. Zudem muss man sich vorher ohnehin erkundigen, wann tatsächlich eine Tour stattfindet, da es nur bei relativer Windstille durchgeführt wird. Ich werde morgen früh um 9.00 zu Wasser gelassen und bin schon ganz gespannt. Was die die Landschaft betrifft, von der der Österreicher so schwärmte, so bin ich enttäuscht. Ich finde die Lofoten waren weitaus imposanter. Dort waren die Berge höher und man sah mehr von den beeindruckenden Felsformationen, die aus dem Boden geschossen waren, um von längst vergangenen Zeitaltern zu erzählen. Hier ist soweit ich das bei dem Nebel erkennen kann einfach nur alles grün und hügelig. Es gibt natürlich auch Berge, doch selbst wenn der steigende Nebel es mal zulässt, strahlen sie nicht diese ehrfurchtgebietende Schönheit aus.
Nächtigen werde ich heute in der Anlage Midnattsol Camping in Bleik. Die billigste Hütte kostet 500 NOK und sieht von außen wirklich schrottig aus. Innen ist sie jedoch erst kürzlich von einer Rezeption in eine Unterkunft umgewandelt worden und ist dementsprechend neu, modern und alles ist sauber (morgen gibt es mehr Informationen zu dieser Örtlichkeit). Zudem habe ich eine kleine Terrasse zum Strand hin, die ich wegen des Wetters nicht nutzen kann, aber nichtsdestotrotz ist es schön das Meer rauschen zu hören.
Es gibt hier auch richtige Häuser auf höherem Niveau für etwas mehr Geld, sowie die Möglichkeit mit Wohnwagen oder Zelt am Meer zu schlafen. Alles in allem eine gute Wahl. 

Bei der Fähre in Gryllefjord

Midnattsol Camping Bleik auf den Vesteralen

Midnattsol Camping Bleik auf den Vesteralen

Midnattsol Camping Bleik auf den Vesteralen


Midnattsol Camping Bleik auf den Vesteralen

Midnattsol Camping Bleik auf den Vesteralen





TAG 9 Ein Tag Pause und trotzdem was erleben

Für die Walsafari zieht man einen warmen Overall über seine eigentliche Kleidung, der Wind und Wasser abhält und einen auf dem Wasser treiben lässt, falls das Boot kentern sollte. Dann fährt man mit einem etwa 13 Meter langen Boot Richtung Norden. Sobald man den Unterwassercanyon erreicht hat, stoppt das Boot und der Kapitän hält ein Hydrophon ins Wasser. Wir hatten sofort Glück und waren in der Nähe eines Wals. Doch das Gerät hört sie nur wenn sie tauchen und jagen. Wo und wann dann einer an die Oberfläche kommt, kann man nie genau sagen. Also wartet man oder fährt nochmal näher in Richtung Geräuschquelle. Die Pottwale, die sich gerade hier aufhielten, tauchen für gewöhnlich 20 bis 30 Minuten und sind dann nur wenige Minuten an der Oberfläche. Außerdem leben hier ausschließlich Männchen, die mehrere Kilometer Abstand zu einander halten. Dementsprechend schwierig ist es sie aufzuspüren. Doch wir haben insgesamt vier gesehen. Der erste war Glenn. Er lebt seit den Achtzigern hier und taucht länger als alle anderen Wale in der Gegend…häufig 40 oder auch mal 50 Minuten. Der Zweite war Cartolino. Er hat diesen Namen, da es hier eine Postkarte mit seiner Finne gibt. Nummer Drei und Vier hatten keine Namen, sondern nur Nummern. Wir haben jeden gerade mal wenige Sekunden lang gesehen bis sie wieder zu ihren halbstündigen Tauchgängen verschwanden. Trotzdem war es ein tolles Erlebnis. Nachdem wir zurück und alle wieder umgezogen waren, gab es heiße Suppe, die wir alle genossen, da es draußen mehr als ungemütlich war und köstliches Brot, das gewiß selbstgemacht war. Dazu schauten wir auf einem Flatscreen die Fotos des Tages an (man den Stick für 25€ kaufen, falls die eigenen Fotos eher fertig sind) und lernten noch ein wenig über die gesichteten Tiere. Prädikat empfehlenswert.
Wieder zurück in meinem Häuschen entschied ich mich dafür eine weitere Nacht zu bleiben, um meine Schuhe wieder trocken zu bekommen und das Rauschen des Meeres zu genießen, das ich von meinem gemütlichen Wippstuhl aus betrachten konnte.  Ab morgen werden dann wieder Kilometer gemacht. 

Die Campinganlage hat verschiedene Vor- und Nachteile: Das Sanitärhäuschen ist nicht fies dreckig, aber auch nicht so picobello wie man es in Skandinavien häufig antrifft. Von außen sehen dieses und meine Hütte auch schon sehr verlebt aus, auch wenn es innen frisch renoviert und gemütlich ist. In meinem kleinen Heim gibt es ein Doppelstockbett und ein weiteres Klappbett. Solltet Ihr zu zweit oder zu dritt unterwegs sein, ist das hier mit 500 NOK unschlagbar gut für genügsame Biker. Man hat zudem Waschmaschinen, Trockner und in dem kleinen Neubau eine öffentliche Küche zur Verfügung. Die Duschen müssen mit 10 NOK pro 5 Minuten bezahlt werden und sind zwar ausreichend warm, aber so richtig Druck ist da nicht hinter. Schön finde ich die Möglichkeit, den Timer der Dusche zu stoppen, solange man sich einseift, um keine Laufzeit zu verschwenden. Danach drückt man wieder auf Start und die Zeit läuft weiter. So kommt man wirklich dicke mit 5 Minuten aus, ohne sich zu stressen. Über der Küche ist eine zweite verglaste Etage, von wo aus man einen noch schöneren Blick auf den vorgelagerten Strand und die Berge hat. Ich habe meist von meinem Wippstuhl aus den Strand und vor allem den Himmel im Auge behalten, um bei der kleinsten Aufklarung Fotos von weißen Sandstränden und bestechend türkisfarbenem Meer zu machen, die hier an jeder zweiten Ecke Aufwartung bieten. Doch leider hat es nicht für so strahlend schöne Bilder gereicht, die man im Netz findet, wenn man Lofotenbilder googlet. Eine Einheimische erzählte mir, das Wetter sei nahezu nie anders zu dieser Jahreszeit. Fotos bei klarem Himmel könne man wenn dann nur im August abstauben. Schade aber auch. Ich glaube dann werde ich mir die Lofoten sparen...die Fähre nach Bodo ist nicht billig und wenn ich doch nichts sehen kann bei all dem Dunst, kann ich auch übers Festland fahren. 






TAG 10 Wasser, Wasser, Wasser ...vielleicht bin ich Kapitän und nicht Motorradfahrer

Ich brach heute um acht Uhr auf, um die Fähre von Lodingen nach Bognes um elf Uhr gemütlich zu erwischen. (Das war in diesem Urlaub die erste Fähre, auf der ich meine eigenen Spanngurte wirklich brauchte. Sonst waren immer ausreichend an Bord.) Mein Eindruck von den Vesteralen bestätigte sich auf den zweieinhalb Stunden Fahrt nur nochmal, doch gute Laune hatte ich trotzdessen. Es waren kleine Landstraßen mit langen Geraden, aber auch mit hübschen Kurven und zwischendurch sogar 10 Kilometer leichte Offroadstrecke. Seitdem ich vor einigen Tagen Alta hinter mir gelassen habe, sind es immer so ungefähr sieben Grad, wenn ich unterwegs bin. Dazu der unerbittlich ausdauernde Regen und die tiefhängenden Wolken. So sah ich auch heute quasi nur eine Straße mit Grünstreifen links und rechts. Doch ich war dankbar wenigstens ausreichend Sicht für zügiges Fahren zu haben. Mein Minimalziel war heute Fauske. 



Von meinem Wunsch über die Lofoten zu fahren, war ich abgewichen, da mir von einigen Seiten bestätigt wurde, dass keine Aussicht besteht, daß das Wetter dort in nächster Zeit aufklart. Und wenn ich dort nichts außer Nebel und Regen sehen würde, konnte ich mir die teure Fähre von den Südlofoten nach Bodo auch sparen. Als ich von meinem kleinen Häuschen am Strand aufbrach, kam es mir vor, als hätte ich seit Jahren nicht mehr auf einem Motorrad gesessen...dabei war es nur ein Tag. Doch wenn man jeden Tag hunderte Kilometer fährt und dann mal 19 Stunden gar nicht, verändern sich gleich die Verhältnisse. Ganz unsicher und wackelig fühlte ich mich. Doch dann kamen die Kurven...eine links, eine rechts, eine links, eine rechts und geschwind fragte ich mich, ob ich wohl je wieder ein anderes Verkehrsmittel nutzen mochte. So nahm ich wie geplant um 11.00 die Fähre von Lodingen nach Bognes und fuhr auf dem Festland über die E 6 weiter Richtung Süden, während alles an mir sich vollsog. Wenn das Wetter so anhaltend fies ist, ich schon im Regen losfahre und es in einem durch schüttet, neige ich dazu keine Pausen zu machen, weil ich ja viel schaffen und schnell ankommen will. Ich esse nicht, ich trinke nicht…doof. Dabei würde es vermutlich viel angenehmer und vielleicht auch produktiver enden, wenn ich hin und wieder bei einem Tankstopp 10 bis 20 Minuten in der Tankstelle bliebe, um mich mal aufzuwärmen …zumal die Tankstellen hier immer einem McDonald's ähneln - viel ungesundes Essen, warme Getränke, Sitzmöglichkeiten und so weiter. Also habe ich das heute dann auch getan. Alles an mir troff vor Wasser, als ich es für die Pause auszog. Und obwohl es sehr ekelig ist danach wieder in solche Kleidung reinzusteigen, war ich im Anschluss an den kleinen Boxenstop gleich so positiv gestimmt, dass ich, als es gerade mal 15 Minuten regenfrei war, dachte, ich würde heute vielleicht endlich wieder im Zelt schlafen und Geld sparen. Doch unmittelbar nach meinem vagen Entschluss sah ich, daß mein weiterer Weg in ein schwarzes Gewitter führte und am Wegesrand erschien ein Campingplatz. Bei einem Preis von nur 350 NOK für eine Hütte wurde ich schwach und ließ mich nach knapp über 500 Kilometern im Krokstrand Camping nieder. Alles sehr einfach, klein und alt. Doch man hört den Fluß rauschen und die Heizung läuft schnell an. Einen Kühlschrank gibt es auch auch noch dazu, für den ich aber ohnehin nie Futter mit mir führe. Die Matrazen sind so schlecht, daß ich mir zwei übereinander lege, um nicht auf dem Holz zu liegen. Das WLAN funktioniert auch nicht, allerdings ist es mir auch zu egal, um nachzuforschen woran es denn liegt.






TAG 11 Hallo E 6, du nervst!

Es ist Norwegen…ich wusste wieviel es hier regnen würde, also kann ich mich jetzt nicht beschweren, dass immer alles grau ist. Stattdessen begrüßte ich die sich anbahnende Milderung. Ich startete trocken, später war es Sprühregen, der in Niesel überging und schließlich in Regen endete… allerdings heute nicht durchgängig, was mich sehr freute. Begleitet wurde das ganze von teils heftigem Sturm, der mich wie 2012 in so manche paradoxe Schräglage brachte. Auch das hatte Vorteile, denn in den regenfreien Abschnitten wurde ich erstaunlich schnell trocken gepustet - zumindest ein wenig. Abgesehen davon waren es nicht mehr sieben bis zehn Grad, wie seit Tagen, sondern eher zehn bis fünfzehn. Noch gestern war so viel Wasser über mich herein gebrochen, daß es sich in meinem Helm anfühlte, als zöge ein Schnecke so groß, daß sie aus Jurassic World entsprungen sein musste, von meinem Nacken langsam über den Hinterkopf Richtung Stirn. Nun schien es, als sei ich dem alles verschluckenden, nie enden wollenden Regen endlich entflohen.
Und als der Nachmittag dann erneut eine kleine Regenpause bot, ergriff ich die Chance, um mein Zelt bei Steinkjer aufzubauen. Das im Regen zu machen, während ich mich aufgrund der vielen Kleidungsschichten fühle und bewege wie ein geriatrisches Michelinmännchen, versuche ich tunlichst zu vermeiden. Das Prasseln fing erst wieder an, als ich eingemummelt in meinem Schlafsack lag…und perfekter geht es nicht! Denn es ist herrlich im Zelt zu liegen - warm und trocken - während es draußen schüttet und der Himmel ein beruhigend monotones Hörspiel auf's Zeltdach zaubert.
Wenn morgen nichts weiter schief geht, bin ich abends um das bezaubernde Schauspiel des Geirangerfjords reicher. Bis dahin ist es aber noch ein gutes Stück. Und bisher war die E 6 eine einzige Baustelle, also warten wir ab, wie ich morgen voran komme.






 

TAG 12 Uhh, ich bin ja doch lernfähig!

Das Wetter meinte es gut mit mir. Denn nachdem ich gestern schon eine Regenpause zum Aufbau des Zeltes hatte, bekam ich heute eine weitere, um es auch wieder entspannt einzutüten und mich erst danach einzuzwiebeln. Auch hatte es scheinbar in der Nacht nicht mehr viel Wasser gegeben, wodurch mein Zelt trocken genug war, um das Innenzelt nicht rausfriemeln und einzeln verpacken zu müssen. Heute nieselte oder regnete es immer wieder, aber wie bereits gestern nicht durchweg. Von Steinkjer bis Orkanger gibt es immer noch eine Menge Behinderungen durch Baustellen, doch der Trondheimsfjord war wirklich schön anzusehen.

Und auf einmal schoß es mir durch den Kopf: Oh Mann! Ich bin schon an Trondheim vorbei! Dann bin ich heute in Geiranger, morgen in Bergen und Mittwoch in Mönchengladbach! Das kam jetzt irgendwie unerwartet plötzlich. Aber es relativiert sich alles, da es jetzt bereits Abend ist und ich nicht früh genug auf dem Schirm hatte, mich um einen Fährplatz zu bemühen. Vielleicht kann ich also gar nicht von Bergen aus fahren, sondern muss noch einen Tag Motorrad dranhängen, um dann von Stavanger oder Kristiansand Richtung Hirtshals zu buchen.
So oder so war der Tag recht entschleunigt. Nicht nur durch die Baustellen, sondern auch durch die zwei kleinen Fähren die heute anstanden: Halsa-Kanestraum (68 NOK) und Solsnes-Afarnes (68 NOK) . Beide dauern jeweils nur ein paar Minuten und gehen ungefähr jede halbe Stunde, wodurch man nicht allzu viel Zeit vergeudet. Ich habe mich gegen die Atlantikstrasse entschieden, da ich diese schon 2014 bewundern konnte und mir gerade trotz Ihrer beeindruckenden Bauweise nicht nochmal der Sinn danach stand. Ich fuhr die E 39 Richtung Molde (in dem es übrigens einen höchst edlen Campingplatz mit viel Auswahl in den verschiedensten Preisklassen gibt) und bog dann kurz vorher auf die 64 ab, um mich auf die Trollstigen und den Geirangerfjord zu freuen. Doch statt wieder nur Kilometer machen zu wollen, hielt ich diesmal einen Moment inne und fragte mich, ob es Sinn macht, das heute noch zu fahren. Die Sicht war schon hier unten im Tal schlecht…nicht übelst, aber eben auch nicht so, wie ich mir das gewünscht hätte, damit man den Geiranger auf meinen Fotos strahlen sieht. Und ich wusste, wenn ich einmal oben wäre, würde ich keinen kostenfreien Schlafplatz finden, um anzuhalten und am nächsten Tag bei schönerem Wetter weiterzufahren. Am Ende würde ich mich wieder ärgern zu schnell agiert, statt Geduld an den Tag gelegt zu haben. Schließlich entschied ich mich der Wettervorhersage für morgen zu trauen, fuhr ein paar Kilometer zurück und herum bis ich eine Wiese an einem Fluss fand, die mir geeignet schien, das Zelt erneut bei trockener Witterung aufzubauen....bei mittlerweile 17 Grad. Herrlich! Nun liege ich in meinem Zelt und stelle fest, dass das eine Kuhwiese ist. In einiger Entfernung höre ich immer wieder ihre dumpfen Rufe und das Läuten ihrer hellen Glocken. Abgesehen davon scheint das hier ein Vogelparadies zu sein, da ich unzählige verschiedene Zwitschermelodien wahrnehme. Alles in allem also ein erfolgreicher Tag.






TAG 13 Amphetamin hätte nicht stärker wirken können

Der Tag fing heute motzig an - er selbst war motzig und ich motzte zurück. Alles lag nach wie vor im dichten Dunkel von Nebelschwaden. Es regnete zwar nicht, doch der vorhergesagte strahlend blaue Himmel war nirgends zu sehen….nicht mal ein kleines Fitzelchen davon. Das war so ärgerlich. Zwei der berühmtesten Sehenswürdigkeiten Norwegens standen heute an und ich würde sie verpassen, weil mir das Wetter die Sicht nicht gönnte. Das war vor allem deswegen suboptimal, weil ich gestern extra bereits nach etwas mehr als nur 400 Kilometen Schluss gemacht hatte, weil ich der Wettervorhersage für heute trauen wollte.

Statt heute also mein Lager früh und zügig abzubrechen, erledigte ich alles sehr gemütlich in der Hoffnung, dass es aufklaren würde. Doch als ich um 9:15 dann aufbrach war immer noch klar, da oben wo ich jetzt hinfahre, werde ich nichts sehen. In weiter Ferne schien die Sonne energisch mit den Wolken zu kämpfen, was ein schönes Foto hergab,

doch für Sightseeing würde es nicht reichen. Und als ich an den Trollstigen ankam, konnte ich tatsächlich nur die ersten Etagen der so berühmten Serpentinen sehen. 

Also schraubte ich mich mit schlechter Stimmung von Kurve zu Kurve hoch, während ich innerlich immer sickiger wurde….wie ein kleiner Junge, der seinen Willen nicht bekommt: Die nächste Spitzkehre *mecker*mecker*mecker* "Jetzt verpasse ich das auch noch!"… wieder eine Kurve *mecker*mecker*mecker* "Wozu mach ich den ganzen Kram dann eigentlich?!"…noch eine Haarnadelkurve *mecker*mecker*mecker* "Sag mal wird das auch noch immer schlimmer?!"…  und irgendwann die letzte Biegung *mecker*mecker*mecker* "Ich werde den prachtvollen Geirangerfjord nicht mal erahnen können!" So ging es die ganze Zeit in meinem Kopf und als ich die Trollstigen hinter mich gebracht hatte, wurde die Suppe auch noch so dick, dass ich langsamer fahren musste, als erlaubt... .…*mecker*mecker*mecker* "Jetzt kann ich nicht mal zügig aus dem Mist hier rausfahren!" 

Und auf einen Schlag, als hätte jemand mein Gemecker nicht mehr ertragen können und für mich einen Vorhang zu einer anderen Klimazone entzweigerissen, fuhr ich in die Sonne. Es war so abrupt, dass ich mich entschloss doch noch anzuhalten, um es zu fotografieren. 

Nun war ich nach so vielen Tagen endlich dem alles umgebenden Wasser entflohen und konnte mich auf ein ganz besonderes Juwel Norwegens freuen.
Doch zunächst kam noch eine Strecke, auf der ich merkte, auch hier oben hätte ich den ein oder anderen Platz zum Zelten gefunden. Zwar habe ich nirgends ein lauschiges Örtchen an einem Fluß oder See gesehen, wie ich es immer gerne habe, um zu Baden und Wäsche zu waschen. Aber ich habe jetzt ja auch nicht mehr konzentriert danach gesucht. Doch Wiesen gibt es zur genüge. Hütten, Campinganlagen und Hotels gibt es vom Fuße der Trollstigen bis weit hinter den Geirangerfjord ebenfalls in Hülle und Fülle. Es ist halt extrem touristisch hier. Auf allen Straßen Norwegens muss man ständig aufmerksam sein, um keine Rentiere, Kühe oder Schafe umzumähen - hier sind es tölpelige Touristen, die ebenso wie Rentiere immer planlos über die Strasse rennen, wenn man kommt, statt einfach auf der Seite stehen zu bleiben, wo sie sich gerade befinden.
Und nach einigen Kurven und Anhöhen lag er vor mir, der König der Fjorde und seine menschenüberladene Aussichtsplattform. Am liebsten hätte ich sie alle weggeschickt, um diese riesige, gewaltige Schönheit ganz für mich alleine zu haben. Er erscheint so kraftvoll und souverän, während er gleichzeitig eine unendliche Sanftmut ausstrahlt. Bei meinem letzten Besuch war das Wasser verschiedenfarbig und bildete farbenprächtige Wasserspiele. Diesmal war dem von hier oben aus leider nicht so, doch es war nicht weniger bezaubernd. Nachdem ich meinen Apfel genossen hatte, machte ich mich auf den Weg hinunter, um ihn Auge in Auge zu begrüßen, jedes seiner Fältchen und Schattierungen zu sehen. So fuhr ich die Serpentinen hinunter und am Fjord entlang, wobei ich feststellte, daß die ganze Prozedur ähnlich zeitaufwendig ist, wie Endurofahren. Für die "Old Postal Road" hatte ich offroad drei Stunden für 100 Kilometer gebraucht. Nun war bereits der Mittag vorbei und ich hatte noch keine 100 Kilometer hinter mich gebracht. Alle Nase lang anhalten, Handy rausfrickeln, Foto machen, Handy wieder verpacken, weiterfahren. Es war mühsam, doch der Anblick war auch in jeder Kurve erneut bestechend schön und eines Fotos würdig. Die Buchten, Strände und Wasserläufe sind in alle möglichen Türkis- und Blautöne getränkt - die reinste Wonne für die Augen. 












Und als sich die Landschaft langsam änderte, je weiter ich mich vom Geiranger entfernte, desto mehr schwand auch der Geruch von Abenteuer. Die Lofoten hatte ich zwar verpasst, weil ich auf den Vesteralen so enttäuscht worden war, doch alle anderen Ziele lagen erfolgreich abgehakt hinter mir - ich war mit dem Motorrad am Nordkap, ganz alleine und hatte ordentlich Offroadspaß, obwohl mir jeder sagte: Offroad nie alleine und nie mit Gepäck! Aber ich habe es gemacht, ich habe mein eigenes schönes Abenteuer kreiert, das nun langsam vorüber ging. So war da plötzlich ein neuer Duft. Es roch nicht mehr nach Abenteuer, es roch nach Daheim und mit jeder Biegung, die ich weiter Richtung Süden fuhr, wurde der Geruch stärker. Ich roch meine immer noch nach Welpe riechende Hündin, die sich so sehr über mich freuen würde, dass mit dem Schwanz gleich ganze Körper heftig mitschwingen würde; ich roch die Lasagne, die ich für Michael eingefroren hatte und von der vielleicht noch ein Stück für mich übrig sein würde - nach zwei Wochen Kartoffelpüree sicher ein Genuss; und ich roch vor allem Michael, in dessen wohligen Umarmungen ich Freitag versinken würde. Mit jeder Kurve und nach jedem Hügel schien der Duft stärker zu werden und sich zu einem riesigen Magneten auszubilden, der mich immer machtvoller anzog. Mit jedem Dorf war ich noch euphorisierter, noch lebendiger und gesättigter mit Optimismus und tiefempfundener Freude. Es war das Gleiche wie auf den letzten Kilometern vorm Nordkap - man hätte mir auch alle zehn Minuten ein Tütchen Amphetamin geben können - das wäre vermutlich auf's Gleiche rausgekommen.
Letztlich fuhr ich über den Sognefjord hinaus bis 19:20 Uhr ohne einen geeigneten, wassernahen Platz für mich und mein Schätzchen zu finden. 
Sognefjord

Sognefjord

Also machte ich bei Myrkdalen Camping Halt, um mein Zelt an dem besten Platz der Anlage aufzubauen. Der Fluß ist so laut und schön, dass ich verdrängen kann, nicht in der abgeschiedenen Wildnis zu schlafen. Es gibt hier eine reiche Auswahl an Hütten von 300-1000 NOK je nach große Größe und Luxus, dazu ein generalüberholtes Sanitärhäuschen und WLAN. Mit dem Zelt für bis zu zwei Personen zahlt man 150 NOK. Hier werde ich nun zwei Nächte bleiben müssen. Bis zur Fähre brauche ich nur noch knappe zwei Stunden, doch ich habe erst für Donnerstag einen Platz bekommen. Freitag muss ich dann die 1000 Kilometer trotz minimal sechs Tankstopps am besten in 10 Stunden schaffen, um Michael noch zu sehen, bevor er nach Süddeutschland muss. Ich könnte fluchen, dass ich nicht eher bei der Fähre angerufen habe! Bei Trondheim dachte ich noch, es ist soweit nördlich und schwups waren die Kilometer weggefahren. Ärgerlich!
Myrkdalen Camping

Woran merkt man, das eine Tour von mir zu ende geht? Das Nutella ist alle.

Äüßerst schmucke Lackierung hat der Kleine




TAG 14 Bitte nicht noch ein Tag Pause!

So anstrengend die Tour mit ihren Widrigkeiten auch für mich war - Tage an denen ich gar nicht fahre und auch sonst nichts leiste, sind für mich die reinste Qual. Dieser Ort, an dem mein Zelt nun steht, könnte wunderbarer nicht sein. Für jedermann eine Oase der Erholung, doch ich finde nicht in den Entspannungsmodus. Mir juckt es unter den Finger, weil ich schon längst auf der Fähre sein sollte, um morgen Abend bereits zuhause zu sein. Stattdessen sitze ich hier neben dem alles hinforttragenden Fluss, lese das Reisetagebuch eines Bikers aus den Siebzigern und treibe mich herum wie Falschgeld, wenn ich mal aufstehen muss, sobald ich nicht mehr sitzen oder liegen kann. Seit elf Uhr liege ich vornehmlich auf einem nassen Handtuch, da das Land des Regens und der Kälte hier in der Sonne heute unglaubliche 35 Grad bietet, als wolle es sich für die ganze letzte Woche bei mir entschuldigen. Doch gut gemeint ist häufig das Gegenteil von gut, nicht wahr. Ich habe mir mega den Pelz verbrannt. 


(Immer diese Frauen - man kann es ihnen nicht recht machen ;-)). Mittlerweile ist es sechs Uhr abends und ich bin froh bald in mein Bettchen zu dürfen, um morgen endlich den Heimweg in Angriff nehmen zu können. 
Etwas Schönes nehme ich aber doch durch die lange Zweisamkeit mit dem türkisfarbenen Gletscherwasser des Flusses mit:
In der Bibel steht: "Denn du — Ungemach selbst wirst du vergessen; wie Wasser die vorübergeflossen sind, wirst du seiner gedenken." Diese Aussage ist sehr heilsam, mildernd, geradezu tröstlich - für kleine und große Desaster. Mir mangelt es häufig an Distanzierungsfähigkeit. Heute habe ich häufig innegehalten, diesen breiten Fluss betrachtet und visualisiert, was dieser Text in Wahrheit bedeutet. Egal was ich an Ungemach im Hier und Jetzt erleide …egal wie unerträglich mir etwas erscheint, das jemand mir tut oder sagt, oder welche negative Situation auch immer aufkommen mag - irgendwann wird es seine Wirkungskraft auf mich verlieren und mich nicht mehr zum Hadern bringen, wie es das vielleicht im Moment des Geschehens selber zu tun vermag. Ich werde es so beachtenswert finden, wie den einen Kubikliter Wasser, der heute morgen an diesem einen Felsen dort drüben vorbeigeflossen ist - nämlich gar nicht. Probleme sind nicht statisch, auch wenn sie sich manchmal so anfühlen. Sie sind beweglich und vor allem verdünnbar. Wie dieser eine Kubikliter Wasser, der den Felsen erst ganz und gar umhüllt, aber schon im nächsten Moment verdünnt wird und nur noch zu Prozentanteilen wichtig ist. Ein paar Meter weiter sind es nur noch Promille und schließlich ist er bis zur Nichtwahrnehmbarkeit im reißenden Strom verteilt. An mir liegt es genug Positives vorbeizuspülen, um den Prozess der Verdünnung zu ermöglichen, zu beschleunigen. Viel zu oft fangen wir uns ein Aquarium voll Negativität ein, statt alles darin einfach in der Masse wunderbarer Dinge hinwegspülen zu lassen.
Nicht dass ich nicht schon vorher auf die Idee gekommen wäre. Mehr als einmal dachte ich eine Weile nach einer belastenden Situation: "Siehst Du wie schnell der Sturm sich legt? Warum hast du dir so große Sorgen gemacht, warum so gelitten? Erinnere dich beim nächsten Problem daran, wie vergänglich seine Substanz ist." Und doch schaffe ich es nicht immer mich zu erinnern, sobald der Zeitpunkt gekommen ist. Und selbst wenn ich mich an diese Weisheit erinnere, fällt es mir manchmal schwer, den Entschluss zur Gelassenheit zu fassen und zu bewahren. Vielleicht hallt das Rauschen des Flusses in meinen Ohren noch eine zeitlang nach und bestärkt mich in Zukunft.
(Spoileralarm!: Schon bald sollte ich eine Möglichkeit zur Anwendung des heutigen Lehrpunktes bekommen.)

TAG 15 Gestern hast Du ein Stück Weisheit gefunden - heute kannst Du beweisen, wie sehr Du sie schätzt

Schon als ich mein Zelt vor zwei Nächten aufgebaut hatte, beschlich mich Melancholie. Der letzte Campingplatz, der mir das Campleben erleichterte; der letzte Fluss, dessen köstliches Wasser ich schmecken durfte; die letzten Berge in deren Schatten ich Schutz suchte; die letzte Nacht in meiner eigenen, kleinen Höhle, die vollgestopft und doch präzise durchorganisiert war; und nun das letzte Mal mein treues Ross beladen. Gemäß meiner Routine ging ich, nachdem alles verzurrt war, noch einmal über die Stelle, an der das Zelt gestanden hatte und einmal mit scharfen Blicken um das Motorrad herum.  Zu oft war mir auf der ersten Tour etwas entgangen, hatte ich etwas liegen lassen oder am Motorrad lose rumbaumeln lassen, sodass ich später Ärger ausbaden musste. In diesem Urlaub war alles besser gelaufen. Ich war konzentrierter und vernünftiger mit mir und meiner Hardware umgegangen. Und es hatte sich ausgezahlt. Mir ist kein großes Malheur passiert, kein maßgeblicher Patzer, alles war rund gelaufen, sogar auf der Offroadstrecke, derentwegen ich noch mehr Ersatzteile mitgenommen hatte, um auf das Schlimmste vorbereitet zu sein. So fuhr ich entspannt und ruhig, aber wehmütig vom Platz, in der Gewissheit heute das letzte Mal für lange Zeit schöne Straßen zu fahren. Ab morgen gäbe es dann erstmal 1000 Kilometer unschöne Autobahn.
Ich schaute auf den Tacho als ich noch ein Foto gemacht hatte - halbe Strecke bis zur Fähre in Bergen schon geschafft. Ich wäre drei statt eine Stunde vor dem Check In am Hafen. Aber so ist es mir immer lieber als anders herum.
Als ich weiterfuhr sah ich auf einmal ein Auto rechts aus einer Straße kommen, doch der Fahrer hielt an, hatte mich also offensichtlich registriert, wodurch ich mich entschied meine zuerst gelockerte Gashand wieder anzuspannen…und dann zog er doch raus - nur wenige Meter vor mir. 
Mir war klar, daß ich es nicht mehr zum Stand schaffen würde und auch zum Ausweichen war die Distanz zu gering. Ich legte mich mit voller Kraft in meine Bremsen, das ABS regelte das ganze Schauspiel ab und ich versuchte erst einen Bruchteil vor dem Aufprall die Hände vom Lenker zu nehmen, um meine Arme nicht zur Knautschzone zu machen. Es ist immer interessant, wie schnell das Gehirn unter solch einem Adrenalinstoß arbeitet. Allein vom Aufprall bis zur Landung kam mir alles soooo lange vor, dazu eine so intensive Geräuschwahrnehmung. Ich hörte wie das Metall sich verzog, wie das Glas splitterte, und wie mein Helm aufschlug. Glücklicherweise waren Zeugen und somit auch Ersthelfer vor Ort. Der Mann, der mich übersehen hatte, tat mir sehr leid. Er selbst hatte wohl nur Kratzer vom Glas, wie man mir sagte, doch war er nervlich völlig am Ende, weil bei einem Motorradfahrer doch schnell empfindliche Teile kaputt gehen, wenn man ihn so weggrätscht. Was mich betrifft so konnte ich kaum denken vor Schmerzen. Ich hatte das dringende Bedürfnis mich zu drehen und zu winden oder die Kleidung zu öffnen, nur um dann festzustellen, dass das die Schmerzen natürlich nicht weg zauberte. Eine Frau aus dem Auto hinter mir hatte irgendeinen medizinischen Beruf und wusste was sie tat und was sie fragte. Schnell lokalisierte ich die Schmerzen in allen Extremitäten, doch Rumpf und Wirbelsäule schienen unverletzt. Ich drehte mich und sah mein Motorrad mit einem Haufen Schrott drumherum, der scheinbar abgefetzt worden war. Das ist es also, was die Menschen meinen, wenn sie von Kernschrott reden - danke für den Anschauungsunterricht. Ich hatte so starke Schmerzen, daß ich in Betracht zog gleich das Bewusstsein wieder zu verlieren. Deswegen wollte ich Michael unbedingt anrufen. Denn wenn er über die eigens für die Tour installierte GPStrackerApp meinen Standort in einem Krankenhaus sehen würde, ohne mich erreichen zu können, wäre das wirklich brutales Kopfkino. Also bat ich um mein Telefon. Sie suchten minutenlang und ich beschrieb immer wieder seine Hülle, in der es rechts neben dem Cockpit angebracht war. Dann kamen die Sanitäter und schnitten all meine Kleidung auf …. meine gute Textilkombi…die Hose erst wenige Wochen alt. Lustigerweise entschuldigten sie sich für jedes Kleidungsstück, das sie vernichteten erneut…einfach süß die norwegische Mentalität. Derweil war jemand in dem Auto des Gegners auf mein Telefon gestoßen und gab es mir. Und als ich Michael gerade erklärt hatte, dass ich glaubte nur Arme und ein Beine gebrochen zu haben, aber so große Schmerzen zu haben, dass ich mich vielleicht erst viel später wieder melden würde, kam der Hubschrauber. Das war psychologisch eher suboptimal. Dass der Hubschrauber mich letztlich nicht mitnahm, sondern nur den Arzt gebracht hatte, der dann entschied, dass der Rettungswagen für mich reichte, konnte ich ihm erst vier Stunden später mitteilen. Die arme Socke. Nach eingehender Untersuchung durch mehrere sehr freundliche Ärzte und Assistenten und viele CT- und Röntgenaufnahmen stellte man verwundert fest, dass wohl nur der linke Unterarm mehrfach gebrochen war. All die anderen Stellen die geschwollen, kaum beweglich und sehr schmerzhaft waren, stellten sich glücklicherweise nur als Prellungen heraus. Am Unfallort dachte ich auch, ich hätte Zähne verloren, da ich harte Stückchen in passender Größe im Mund hatte. Allerdings stellte es sich als Glas der Autoscheibe raus.
Mein geschrotteter Helm, sowie all die zerschnittenen Kleidungsstücke habe ich im Krankenhaus entsorgen dürfen...schweren Herzens.
Anderes als deutsche Krankenhäuser leiden sie hier nicht unter Personalmangel und Zeitdruck - alle sind gelassen und freundlich. Ich bin gespannt wie der Rücktransport läuft. Ich habe immer noch starke Sehstörungen, Schwindel und kann kaum gehen, aber der ADAC versicherte mir, es sei alles mit Rollstuhl und Liegendtransport geregelt. Dennoch bin ich nervös irgendetwas vergessen zu haben…zu regeln oder einzupacken…wie vor jeder Abreise. In ein paar Minuten werde ich um halb zwölf abgeholt, der Flug geht um 14:10, in Amsterdam muss ich umsteigen und um 17:40 lande ich in Düsseldorf. Ich bin jetzt schon k.o. wenn ich nur dran denke.
….wie viel lieber wäre ich mit dem Motorrad runtergefahren :-(.















2 Kommentare:

  1. Guten Tag Frau Büring
    Unter Motorradfahrer sagt man sich eigentlich DU.
    Aber ich meine, man sollte sich doch das erste Mal in die Augen sehen, daher bleibe ich hier beim Sie.
    Ich spiele ebenfalls mit dem Gedanken im 2019 ans Nordkap zu fahren. Daher schnüffle ich auch etwas im Netz herum.
    Dabei bin ich auf Ihren Blog gestossen.
    Ich begann mit dem Lesen und merkte bald, eigentlich ist das nicht das was ich suche.
    Im Tourenfahren bin ich recht erfahren und die Tour ist in meinem Kopf auch schon fast fertig.
    Ihre Kommentare sind so anders, witzig, ironisch, offen und sehr interessant geschrieben
    Ich habe den ganzen Bericht in einem Zug durchgelesen und am «Tag 15» haben mir selber alle Knochen weh getan.
    Ich hoffe, Sie sind wieder ganz OK und können an einer neuen Tour herumplanen.
    Gerne möchte ich dann Ihren Reisebericht lesen.
    Jedenfalls wünsche ich Ihnen schöne Festtage und einen guten Rutsch ins 2019
    Einen lieben Gruss aus der Schweiz Alfons

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  2. Du bist nicht die Einzigen, die in Nordskandinavien hinter den Büschen hocken müssen und mit den Händen winken, um die Mücken vom Arsch fernzuhalten, wenn die täglichen, ernsten Besorgungen zu erledigen sind. Diesen Sommer habe ich es mindestens ein Dutzend Mal gemacht. Ja, es ist ein komisches Spektakel, aber zum Glück ohne Zuschauer.

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Elegante Schönheit

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